Vor nicht allzu langer Zeit hat das prachtvolle Buch Trachten von Georg Hohenberg aus dem Gestalten Verlag unser Interesse zum spannenden Thema Tracht geweckt. Wir wollen mehr darüber erfahren und werden in einer losen Folge von unseren Entdeckungen im Blog berichten.
Den Anfang macht ein Ausflug in den Spreewald – der Region im Osten Deutschlands, die auch heute noch eine sehr lebendige Trachtenkultur pflegt. Unser Weg führt uns nach Lübbenau einem idyllischen Ort am Rande des Spreewaldes. Im Ortsteil Ragow besuchen wir Sarah Gwiszcz in ihrem (noch) kleinen Atelier. Wir danken ihr für das Interview zu ihrem Label Wurlawy, mit dem sie traditionelle Trachten und moderne Mode miteinander verbindet. Durch die Bewahrung und Rückbesinnung auf das Alte schafft sie auf wunderbare Weise Neues.
Die Anfänge
Sarah Gwiszcz studierte in Berlin an der AMD Modedesign, dort war sie Teilnehmerin des Projektes „Sorbisch modern„: Sie beschäftigte sich intensiv mit der Tradition der Tracht und interpretierte sie neu.
Ihre Abschlussarbeit greift das Thema Tracht erneut auf – sie erfindet dafür die sorbische Calavera. Die Arbeit aus dem Jahr 2012 ist eine gekonnte Verbindung von Folklore und Moderne und sie verbindet den mexikanischen Totenkult mit den sorbischen Elementen und aktuellen Schnitten.
Nach ihrem Studium kehrt sie Berlin den Rücken und gründet 2014 ihr Label in ihrem Heimatort Lübbenau. Ein Stück zurück zur Regionalität und zu den Ursprüngen ihrer Kollektion. Überhaupt ist Sarah Gwiszcz die Heimatverbundenheit sehr wichtig. Nicht nur, indem sie traditionelle Elemente in ihre Kollektion einfließen lässt – ihre Kollektion wird von Schneiderinnen im Nahe gelegenen Cottbus genäht, bei der Stoffauswahl ist ihr die faire Produktion in Europa wichtig. Der Blaudruck, ein Färbeverfahren, für das die Lausitz ebenso berühmt ist, wie für die Tracht, ist ein weiteres Stück Regionalität in ihrer Kollektion. Das von ihr gestaltete Motiv zieht sich quer durch die aktuelle Kollektion.
Wurlawy
Der Name ihres Labels ist ein weiteres Stückchen Heimat. Er ist der sorbischen Sagenwelt entlehnt. Die Wurlawy sind wilde Waldgeister – wilde Spreewaldfrauen: Die Geister in Frauengestalt schoben den Mädchen, die länger als um zehn noch in der Spinnstube saßen einen Korb voll Spindeln und Flachs zum Fenster hinein und wenn sie nicht binnen einer Stunde alle Spulen voll mit Garn besponnen hatten, mussten die Mädchen sterben. Zwei Mädchen überlisteten die Wurlawy, indem sie auf jede Spule nur einen Faden spannen – und so lösten sie die schwierige Aufgabe. Wer diese und andere Sagen aus der Lausitz lesen möchte, dem sei das Buch „Sagen der Lausitz“ aus dem Domowina Verlag empfohlen.
Der Name Wurlawy passt einfach hervorragend zum Label von Sarah Gwiszcz: Ihr gefiel die Verbindung zum Garn aber auch das Klangbild des Wortes und natürlich die wilden Spreewaldfrauen, denn das Wilde findet sich ebenso in ihrer Kollektion wieder.
Der Rückgang von Berlin in die Provinz verleiht ihr ein großes Stück Authentizität. Ihre Spreewaldmode passt einfach wunderbar in die Ruhe und Idylle und verbindet gekonnt die regionalen Eigenheiten mit absolut tragbarer Mode.
Zusätzlich kann sie in ihrer Heimat von der guten regionalen Vernetzung profitieren. Wer die Touristeninformationen in Lübbenau, Lübben und Burg besucht, kann die Mitarbeiterinnen in ihren Entwürfen bewundern.
Sarah Gwiszcz veranstaltet regelmäßig Modenschauen in der Region und ist mit ihrer Mode auf den Märkten der Region präsent. So ist sie mit ihrer Mode fast selbst schon zu einem Wahrzeichen der Region geworden.
Die Tracht
Tracht heißt übersetzt Kleidung sagt Sarah Gwiszcz, als wir sie nach der Bedeutung der Tracht fragen. Sie liebt die Spreewälder Tracht und es macht ihr riesigen Spaß, einen alten Rock wieder aufzuarbeiten, ihn wieder neu zu gestalten. Mit Stolz präsentiert sie ihre wunderschöne eigene Tracht. Aber nicht nur die Arbeit an der Tracht macht ihr Freude – zu sehen, wie andere die Tracht gestalten und die Diskussionen darüber sind für Sarah Gwiszcz sehr wichtig. Hinter der Tracht steht die enorme Wertschätzung der Sachen an sich, die Wertschätzung der Arbeit, die in einem Kleidungsstück steckt, Wertschätzung gegenüber der die Handarbeit dahinter. All das findet man auch in ihrer Kollektion wieder.
Die Kollektion
Wurlawy ist eine absolut alltagstaugliche Variante der Tracht. Inspiriert von der Tracht der Wenden und Sorben, finden sich immer wieder traditionelle Elemente und Muster in ihrer Kollektion: Hüftbänder mit schmalen Schleifen, weiße Blusen mit Bohrspitze, mit Dekorborten besetzte Röcke, Loopschals mit Spitze. Aber auch blaue T-Shirts mit den wundervollen, von Sarah Gwiszcz selbst entworfenen Motiven – die den Blaudruck als Siebdruck neu interpretieren, finden sich in der Kollektion. Generell spielt blau, neben einem kräftigen Senfgelb in ihrer aktuellen Kollektion eine große Rolle. Einen Einblick in die wunderbare Debüt-Kollektion erhalten Sie hier.
Spitze bei Wurlawy
So wie sich in den Trachten immer wieder Spitzen finden, verwendet auch Sarah Gwiszcz Spitzen in ihrer Kollektion.
Sie setzt die Spitze geschickt als Blickfang am Ausschnitt oder Ärmel ein und setzt Akzente. Natürlich darf die Spitze an den Hauben nicht fehlen, die Sarah Gwiszcz selbst steckt. Ihre Hauben spielen mit dem Kontrast – seien es mit die mit Totenköpfen besetzten Hauben aus ihrer für die sorbischen Calaveras aus ihrer Abschlussarbeit oder die Haube für die Braut mit einer langen Spitze, die wie ein Schleier wirkt. Ganz besonders schön finde ich die alltagstauglichen „Hauben“ – das Spreewald Beanie: Jerseymützen, die mit Bohrspitze verziert sind und wie eine Haube anmuten.
Mit Wurlawy hat Sarah Gwiszcz eine lebendige, farbenfrohe Kollektion geschaffen.
Die absolut tragbaren Stücke sind nicht auf einen Typ Frau festgelegt. Sie sind für all die Kundinnen, die Wert auf Individualität legen, die das Besondere suchen und denen wichtig ist, woher ihre Kleidung stammt.
Wurlawy bietet nicht nur einfach ein Stück Kleidung. Es ist gleichzeitig ein Stück Spreewald, ein Stück Heimat, ein Stück Tradition.
Und all das gibt es nicht nur online im Etsy-Shop von Wurlawy. Sondern ab 30.Oktober auch in der Neustadt von Lübbenau. Sarah Gwiszcz bezieht dort ein neues Atelier. Ihre Kollektion kann dann auf 140 m² bewundert werden und natürlich gekauft werden. Wenn das fertige Kleidungsstück aus der Kollektion nicht passt – kein Problem. Individuelle Anpassungen werden gern vorgenommen.
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage von Wurlawy: www.wurlawy.de
Noch mehr Lust auf Tracht? Dann lesen Sie hier weiter:
- Unsere Rezension des Buches „Trachten“ von Georg Hohenberg