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Im Grassimuseum in Leipzig ist noch bis zum 29. März 2020 die Ausstellung „History in Fashion – 1500 Jahre Stickerei in der Mode“ zu sehen. Die Schau gibt einen umfassenden Einblick in Geschichte der Stickerei. Was es konkret zu entdecken gibt, verraten wir im Blogpost.
Sächsische Stickereitradition
Eine Ausstellung über Stickerei zu konzipieren ist gar nicht so einfach, denn ganz schnell stellt sich die Frage, was man alles nicht zeigen kann. Stickerei ist eine der ältesten Möglichkeiten, Textilien zu verzieren und aufzuwerten. Es gibt zahlreiche unterschiedliche Stickarten. Man kann von Hand sticken, aber es gibt auch diverse Stickmaschinen. Gerade in Sachsen blickt man hier auf eine lange Tradition der maschinellen Herstellung zurück. So wurde in Chemnitz bei Kappel mit dem „Schwarzen Riesen“ die größte Handstickmaschine hergestellt. Und Plauen ist nicht nur die Heimat der gestickten Spitze, sondern von hier kam mit der VOMAG einer der größten Stickmaschinenhersteller weltweit. Aber auch in Leipzig wurden in den Pittlerwerken lange Zeit Stickmaschinen hergestellt. Sachsen blickt in vielerlei Hinsicht auf eine lange Tradition der Stickerei zurück. Umso schöner, dass sich nun das Grassi der Stickerei in einer eigenen Ausstellung widmet.
Zwangsläufig muss man sich bei diesem Thema auf einen Ausschnitt begrenzen. Dies gelingt den Ausstellungsmachern sehr gut.
History in Fashion – 1500 Jahre Stickerei in der Mode
Die Ausstellung im Museum für angewandte Kunst im Grassi zeigt in sechs großen Ausstellungsbereichen die Vielfalt der Stickerei in der Mode und blickt dabei weit zurück in die Vorzeit. Denn auch wenn die Stickerei gerade wieder ein Comeback erlebt, ist sie keine Erfindung der letzten Jahrhunderte. Schon vor weit über 1500 Jahren haben Menschen ihre Kleidung mit verschiedenen Stickereien verziert. Davon zeugt eine Knochennadel, eine Leihgabe aus dem Museum für Vor- und Frühgeschichte in Halle, die in der Ausstellung zu sehen ist. An ausgewählten Beispielen gibt das Grassi einen spannenden Einblick in die Stickereigeschichte und spannt einen Bogen bis ins Jetzt.
Mit der Gegenüberstellung von historischen Stickereien und modernen Kleidungsstücken, zeigt die Ausstellung, dass aktuelle Trends immer auch von der Vergangenheit inspiriert sind. Bei einer so langen Tradition ist es natürlich nicht möglich, die Stickerei chronologisch zu beleuchten, sagte die Kuratorin der Ausstellung Dr. Stefanie Seeberg zur Eröffnung. Deshalb zeigt die Ausstellung einen Querschnitt der eigenen Sammlung, der thematisch geordnet ist.
Blick in die sechs Teile der Ausstellung
Der erste Teil der Ausstellung widmet sich dem Kleidungsstück als Bedeutungsträger. Schon immer wurde Kleidung mit Zeichen, Schrift oder Bildern bestickt. Wer kennt nicht die Monograme, mit denen die Aussteuerwäsche bestickt wurde. Heute zieren maschinengestickte Logos die Kleidung oder es werden Kleidungsstücke als Kontrast zur Fast Fashion aufwendig als Einzelstück verziert. In diesem Teil der Ausstellung stehen alte Mustertücher modernen Statementstickereien oder aufwendig verzierten Röcken gegenüber.
Teil zwei widmet sich einer niemals versiegenden Inspirationsquelle: der Flora. Blumen Blüten und Blätter finden sich seit der Antike als gestickte Verzierung auf der Kleidung.
Sie stehen für das blühende Leben aber auch für die Fruchtbarkeit. Blüten wurde schon immer eine bestimmte Symbolik zugewiesen. Ein sehr spannendes Stück in diesem Teil der Ausstellung ist das Bühnenoutfit aus dem „Vogelhändler“ aus der Oper Leipzig. Hier wurde die Stickerei mit Hilfe der Malerei angedeutet.
Die Materialvielfalt steht im dritten Teil im Mittelpunkt. Dieser Teil der Ausstellung zeigt besonders schön, was Stickerei alles kann. Hier ist es möglich teuerste Perlen oder edelste Fäden auf die Kleidung aufzubringen und verschwenderisch zu sein. Stickerei wird so zum Distinktionsmerkmal. Man denke nur an die aufwendigen Ballkleider oder Kleider aus den 20er Jahren.
Auch heute noch sind Pailletten eine beliebte Form der Verzierung. Es mag durchaus am haptischen Erlebnis liegen. So bildete sich an einer Wand mit Wendepailletten eine Menschentraube, die über die Pailletten streichen wollten, denn sie verbindet sie Stickerei mit einer völlig neuen haptischen Dimension. Die Wendepaillette zeigt sehr schön, wie Mode auch allgemeintauglich wird. Noch vor einigen Jahren waren die Wendepailletten, die exklusiv für Haute Couture Mode von Jakob Schlaepfer aus St. Gallen gefertigt wurden, für den Normalbürger unerschwinglich.
Sie hatte einen absolut hohen Innovationsgrad und wurde auf einem sehr hohen technischen Niveau produziert, das nur Jakob Schlaepfer beherrschte. Nach Ablauf des Patentes auf die Stickmaschine für die Wendepaillette wird sie preiswert in Asien produziert und ziert nun zahlreiche Produkte von Kleidung über Kissen bis hin zu Schuhen.
Außerdem findet sich hier ein weiteres Schweizer Produkt. Ein Kleid von Akris, das in Zusammenarbeit mit Forster Rohner entstanden ist. Dies soll den Einsatz der technischen Textilien in der Mode zeigen. Es zeigt aber auch die Verschwendung. Die unwahrscheinlich hohen Entwicklungskosten und stehen sicher in keinem Vergleich zu einem leuchtenden Auftritt.
Der nächste Teil der Ausstellung widmet sich fremden Kulturen und ihren Einfluss auf aktuelle Modetrends.
Historischer traditioneller Kleidung werden auch hier aktuelle Stücke gegenüber gestellt. Die Anleihen sind deutlich zu erkennen. So findet man in einer Weste von Hugo Boss aus dem Jahr 2006 sehr deutliche Spuren einer Weste, die um 1900 im Balkan (wahrscheinlich in Dalmatien) gefertigt wurde. Die Gegenüberstellungen der Stücke sind sehr gelungen und bereichern die Ausstellung sehr. Auf den ersten Blick ist es gar nicht so leicht zu erkennen, welches Kleidungsstück alt und welches aktuell ist.
Die letzten beiden Abschnitte widmen sich den aktuellen Stickereien. Im fünften Teil dreht sich alles um ReUse und Upcycling. In Zeiten der Fast Fashion bildet sich immer stärker eine Gegenbewegung, die versucht, gebrauchte Textilien gerade auch mit Stickereien aufzuwerten oder sie vollständig umzunutzen.
Der sechste Abschnitt möchte neue Wege der Stickerei aufzeigen. Er beschäftigt sich in Zusammenarbeit mit der Textilklasse von Prof. Bettina Göttke-Krogmann der Burg Giebichenstein mit der Stickerei im Textil- und Modedesign von morgen. Leider muss ich hier sagen, dass mich der Part am wenigsten überzeugt hat. Eigentlich wollte man „nach neuen Möglichkeiten beim Einsatz der Stickerei suchen …(und) den Weg für neue Anwendungen in der Mode von morgen“ bereiten. (Quelle: Flyer zur Ausstellung). Das ist nicht gelungen. Geschmacklich möchte ich die Stücke gar nicht beurteilen, denn das liegt immer im Auge des Betrachters, dort gab es auch den einen oder anderen spannenden Ansatz zu entdecken.
Aber leider zeigen die Arbeiten nur einen ganz kleinen Ausschnitt von dem, was Stickerei kann. Sie verbleibt recht einfallslos an der Oberfläche und pendelt zwischen Hand- und Mehrkopfstickerei. Letztere ist dabei auch qualitativ nicht wirklich ansprechend. Bei den meisten Arbeiten stimmt die Fadenspannung nicht, so dass sich der Untergrund verzieht oder sie sind generell nicht gut gearbeitet. Aber vor allem zeigen sie nichts Neues. Keine neuen Trends, keine spannenden Ansätze und vor allem auch keine neuen Einsatzmöglichkeiten. Von diesem Teil der Ausstellung hatte ich mir mehr erhofft.
Nichtsdestotrotz ist die Ausstellung im Ganzen sehr sehenswert, denn sie vereint verschiedene Aspekte der Stickerei und zeigt wunderbare Parallelen zwischen Historie und Gegenwart. Eine Ausstellung in dieser Form hat es meiner Meinung noch nicht gegeben. Sie widmet sich der Stickerei in vielen Facetten und kratzt dabei nicht nur an der modischen Oberfläche. Sie geht tiefer und möchte Zusammenhänge zeigen. Das ist durchaus einzigartig.
Besonders hervorheben möchte ich die sehr gelungen Beschriftung der Ausstellungsstücke. Muster aus den Stücken in einem Kreis werden zum Teil der Beschreibung und sie ziehen sich durch die Ausstellung. Auch hier bildet der sechste Teil eine Ausnahme. Hier wechselt die Beschriftung und die runden Muster fehlen. Dies trägt auch optisch zu einer Abgrenzung der studentischen Arbeiten bei.
Der Katalog zur Ausstellung
Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog im Sandstein Verlag erschienen, dem ich jeden ans Herz legen möchte, der sich für Textilien und insbesondere Stickerei interessiert oder der Freude an schön gestalteten Katalogen hat.
Hier werden nicht nur die Ausstellungsstücke gezeigt. Eine Einführung gibt einen kurzen Überblick über die Stickerei und die Sammlungsgeschichte im Grassi. Vertiefende Texte beschreiben die einzelnen Ausstellungsstücke und lassen sie lebendig werden. Durch die Provenienzbeschreibung lassen sie sich sehr gut einordnen. Besonders hervorheben möchte ich die sehr ansprechende Gestaltung des Kataloges.
Und auch hier zieht sich die kreisrunde Gestaltung der Muster sehr gelungen durch das Buch. Sie zeigen eine Vergrößerung der Muster und geben so einen sehr detailreichen Einblick. Loben möchte ich auch die sehr gute Qualität der Bilder, die selbst Kleinteiliges gut erkennen lässt. Der Katalog ist eine absolute Empfehlung. (bibliographische Angaben: Stefanie Seeberg – History in Fashion – 1500 Jahre Stickerei in Mode. 1500 Years of Embroidery in Fashion | Herausgeber: GRASSI Museum für Angewandte Kunst Leipzig – 232 Seiten, 298 farbige Abb. in deutscher Sprache mit englischen Zusammenfassungen, Klappenbroschur Sandstein Verlag ISBN 978-3-95498-511-1 – 38,00 €)
Wo?
Die Ausstellung im Museum für angewandte Kunst im Grassimuseum Leipzig läuft noch bis 29. März 2020 und wird durch ein umfangreiches Rahmenprogramm begleitet. So gibt es zum Beispiel auch eine offene Werkstatt, bei der man sich selbst ausprobieren kann.
Mit History in Fashion ist dem Grassimuseum in Leipzig eine lohnenswerte Ausstellung gelungen, die den Fokus auf die Stickerei legt. Sie öffnet die Augen dafür, was Stickerei so alles kann und wie unterschiedlich sie ist.
Transparenzhinweis: Den Katalog haben wir als Rezensionsexemplar kostenfrei erhalten und wir hatten eine Einladung zur Ausstellungseröffnung, die wir kostenfrei besuchen durften. Vielen Dank dafür. Das hat natürlich keinen Einfluss auf unseren Beitrag. Der spiegelt eigens unsere Meinung wieder.