Savage Beauty im V&A
Monatelang lagen sie schon zu Hause, die Eintrittskarten zur Alexander McQueen-Ausstellung „Savage Beauty“ im Victoria & Albert Museum in London und nun war es endlich soweit: Wir sind in London und die Meisterwerke zum Greifen nah.
Ein sehr guter Grund, London zu besuchen
Die Ausstellung war die perfekte Gelegenheit, einmal wieder London zu besuchen, denn eines steht fest: näher als London wird die Ausstellung wohl nicht kommen. Nachdem die erste Retrospektive 2011 im Metropolitan Museum in New York zu sehen war, hat es immerhin vier Jahre gebraucht, bis sie es in einer neuen, erweiterten Form in seine Heimatstadt geschafft hat – nach London, in die Stadt, die für McQueen ein beständiger Quell der Inspiration war.
Die Ausstellung ist bis August restlos ausverkauft, es gibt nur noch eine geringe Chance auf Karten an der Tageskasse – so versuchen wir, die Ausstellung in Worte und Bilder zu fassen, auch wenn es der Vielfalt keinesfalls gerecht werden kann.
Das uns dort etwas Besonderes erwartet, ja, davon bin ich ausgegangen, aber das es so überwältigend sein könnte, damit hatte ich nicht gerechnet – für mich ist es die beste Modeausstellung, die ich jemals gesehen haben. Eigentlich trifft es Ausstellung auch nicht ganz, es ist die Feier seines Lebenswerkes.
Eine außergewöhnliche Inszenierung
Savage Beauty ist wie ein großes Theaterstück inszeniert, das in jedem Raum in eine andere Welt entführt. Ein Traum in 10 Akten, der die Perioden seines Schaffens beleuchtet. Die Produktionsfirma Gainsbury & Whiting, die auch schon an den meisten seiner Defilees mitarbeitete, hat sich hier selbst übertroffen. Die Räume sind thematisch nach seinen großen Kollektionen geordnet und umschreiben die Themen, die den Modeschöpfer für rund 15 Jahre beschäftigten. So zum Beispiel London, das Kuriositätenkabinett, Gotik, Nationalismus.
Die musikalische Untermalung und die Gestaltung des Raumes passen sich immer dem Grundthema an. Von barocken Spiegeln bis zu Knochen an den Wänden und Totenköpfen in den wie Bilderrahmen inszenierten Glasvitrinen passt alles bis ins kleinste Detail. Es ist eine absolut bildgewaltige Inszenierung der Kleider und Accessoires.
Aus dem „Cabinet of Curiosities“ wollte ich gar nicht wieder hinaus: Ein Raum mit doppelter Raumhöhe, ein Zimmer wie ein riesiger schwarzer Setzkasten, in dessen Fächern es immer wieder neue Sachen zu entdecken gibt und man kann sich gar nicht satt sehen an so viel ausgefallenen Stücken.
Alexander McQueen
McQueen geht an die Grenzen, erhält dabei aber auch immer ein Stück Tradition und Romantik. Und wie alle großen Romantiker huldigt er der Natur – sowohl in Lieblichkeit als auch im Tod: wie z.B. ein mit Schwertmuscheln besetztes Kleid oder der Schwarm Schmetterlinge auf dem Kopf der Models (die in Zusammenarbeit mit Philip Treacy entstanden sind) oder Kleider mit getrockneten Blumen.
Auch gibt es immer wieder Querbezüge zur Historie. Ein blutrot gerüschtes Miederkleid mit viktorianischem Schnitt scheint einem Roman von Edgar Allen Poe zu entstammen.
Eine Kollektion lässt Hitchcocks Vögel auferstehen. Barocke Vergänglichkeit spiegelt sich in kunstvoll zerschlissener Spitze und Seide wie in seiner frühen Kollektion „Highland Rape“.
Generell ziehen sich Spitze und Stickereien in unterschiedlichen Qualitäten und Verwendungsmöglichkeiten immer wieder durch die Werke von Alexander McQueen.
Sei es in Kombination mit Tartan-Karos oder die handbestickten Kleider aus groben Leinenstoffen.
Für die „zerrissenen“ Spitzenkleider in seiner „Highland Rape“- Kollektion verwendetet er ein billige Webspitze, die er für wenige Pfund auf einem Londoner Markt erstanden hatte, für Kleider der Voss-Kollektion (2001), die stark den exotischen Einflüssen unterlag, verwendetet er unfassbar teure und wertvolle handbestickte japanische Seidenstoffe aus dem 19. Jahrhundert und besetzte diese zusätzlich mit Spitzenapplikationen.
Alexander McQueen und Spitze
Alexander McQueen bricht auch beim Einsatz der Spitze immer wieder mit den konventionellen Vorstellungen von Schönheit und definiert sie gleichzeitig immer wieder neu. Hier ein Hauch von Spitze, da ein über und über besticktes Kleid, dort ein Kleid aus Federn – dessen fantastische Wirkung durch eine Maske aus Spitze noch unterstrichen wird.
Die Entwicklung des kreativen Ausnahmetalents lässt sich in der Ausstellung von seiner Abschlussarbeit am Londoner Central Saint Martins College 1992 bis hin zur Herbst/Winter-Kollektion 2010, die nach seinem tragischen Freitod am 11.02.2010 im Alter von erst 40 Jahren von Sarah Burton fertig gestellt wurde, nachvollziehen.
McQueen zeichnete sich nicht nur durch ein unglaubliches handwerkliches Können aus, dass ihm während der Zeit der Lehre in der Savile Row vermittelt wurde, sondern er wandelt mit seinen Entwürfen auf dem schmalen Grat zwischen Schönheit und Groteskem, zwischen Romantik und Horror. Seine innovativen und polarisierenden Entwürfe machten ihn zum Visionär einer ganzen Generation
Alexander McQueen war ein Meister darin, diese Elemente zu kombinieren und seine Meisterwerke in theatralischen Laufsteg-Shows zu präsentieren. Ganz in diesem Sinne ist auch die Ausstellung konzipiert, die ähnliche anmutet wie eine Modeshow nach seinem Vorbild.
Noch mehr Bilder und weitere Informationen findet Sie auf der Seite des Victoria and Albert Museums und bei Alexander McQueen.