Noch bis zum 03.03.2019 haben Sie Gelegenheit im Japanischen Palais die Ausstellung Gegen die Unsichtbarkeit – Designerinnen der Deutschen Werkstätten Hellerau 1898 bis 1938 zu besichtigen. Warum Sie diese Ausstellung nicht verpassen sollten, erfahren Sie in unserem Beitrag.
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Beginnen möchte ich den Beitrag mit dem letzten Raum in der Ausstellung. Ja, ein wenig ungewöhnlich – aber der Raum zeigt noch einmal sehr eindringlich, warum diese Ausstellung einen so wichtigen Beitrag zur Designgeschichte des 20. Jahrhundert leistet.
Auf dem Rundgang durch die Ausstellung kann man 10 Karten sammeln und im letzten Raum die Fragen in aller Ruhe beantworten und je nach Punktezahl ein Kärtchen von der Wand nehmen und somit den dahinter verborgenen Designerinnen zu mehr Sichtbarkeit verhelfen. Eine wunderbare Idee. Aber die schon teilweise abgenommenen Karten zeigen ein typisches Phänomen bei den Designerinnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie sind so wenig bekannt, dass noch nicht einmal von jeder der Frauen ein Bild existiert. Diese Frauen sind dann nur angedeutet zu sehen. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen ist die Geschichte der Frauen nicht ausreichend dokumentiert.
Dies liegt an mehreren Dingen:
- Frauen hatten zu dieser Zeit noch keine Studienberechtigung und wurden oft nur als Zeichenlehrerin ausgebildet und somit in der Männer dominierten Welt nicht als gleichberechtigt angesehen. Als schönes Beispiel dient hier auch das Bauhaus – das als reine Männerausbildung begann und Frauen sich schwer den Weg erkämpfen mussten.
- Waren die Designerinnen verheiratet, wurde ihr Nachlass wurde oft nicht von dem Nachlass des Mannes getrennt und als nicht wichtig angesehen.
- Auch der Namenswechsel nach Heirat ist bei der Zuschreibung oft hinderlich. Oftmals erkannte man erst nach langer Recherche, dass es sich um ein und dieselbe Designerin handelte. Käthe Lore Zschweigert änderte zum Beispiel dreimal ihren Namen.
- Heirat und später auch der Krieg führten oftmals zum Abbruch der professionellen Designkarriere.
- Oftmals betätigten sich die Frauen im Bereich der textilen Künste. Hier gibt es leider eine sehr große Anonymität der Entwerferinnen. Dies liegt daran, dass das Entwerfen von Flächentextilien als ein wenig autonomes Betätigungsfeld angesehen wurde. Es wurde für Firma XY entworfen. Viele Entwürfe versinken in den Schubladen und es wurde auch nicht als wichtig erachtet, dies zu dokumentieren. Dass das auch bei uns in der Firma so war, konnten wir bei der Suche nach den alten Vorlagen für unsere Bauhaus-Kollektion sehen. Es wurden die Stichzahlen, die Garnarten, die Anzahl der Musterkarten und eventuelle Besonderheiten erfasst, aber nicht der Name der Gestalterin.
So standen die Kuratorinnen der Ausstellung Gegen die Unsichtbarkeit vor einer schwierigen Aufgabe. Sie kämpfen gegen die Unsichtbarkeit der Designerinnen an und das mit einer sehr gelungenen Ausstellung. Die Ausstellung beruht auf einer schwierigen Forschungsarbeit. Die Arbeiten der Frauen fanden nur in wenige Museen, darunter das Grassi-Museum in Leipzig, Eingang. Deshalb blieben oft nur Privatarchive zur Recherche.
Die Geschichte von 19 Designerinnen und einer Fotografin wird in der Ausstellung soweit wie möglich nachgezeichnet. Dies geschieht anhand ihrer Arbeit für die Deutschen Werkstätten Hellerau, aber auch mit Arbeiten für anderer Auftraggeber.
Abgerundet wird die Ausstellung mit Zeitungsartikeln, persönliche Fotos und Briefen. Diese finden sich sehr schön gestaltet in kleinen Schachteln am Ende der Ausstellung. Die Schachteln muten wie kleine Erinnerungskisten oder Zeitkapseln an. Ich habe mich ein wenig wir bei meiner Oma gefühlt – als würde ich in den alten Familienerinnerungen kramen.
Karl Schmidt gründete 1898 die Deutschen Werkstätten Hellerau im Geiste der internationalen Kunstgewerbe- und Reformbewegung. Schon von Anfang an setzte er auf die Mitarbeit von Frauen, was bei weitem nicht selbstverständlich war. Ihm lag das Produkt und das Design am Herzen und es war im egal, ob es von einem Mann oder ein Frau stammt – wichtig war das Produkt und seine Reproduzierbarkeit. Somit konnten sich an den Deutschen Werkstätten Frauen auch als Möbeldesginerinnen, Grafikerin, Bildhauerin oder Innenarchitektin verwirklichen. An den Deutschen Werkstätten waren sie nicht nur in den Textilberufen gefangen. Obwohl sie diese hier auch ausübten.
Die Designerinnen und Designer waren nicht bei Karl Schmidt angestellt, sondern freie Mitarbeiter, die aber alle gleich bezahlt wurden. Auch dabei gab es keinen Unterschied bei den Geschlechtern. Für diese Zeit sehr fortschrittlich. Bei den Deutschen Werkstätten wurde jeder Designer auf Provisionsbasis nach verkauften Stücken bezahlt.
Die Ausstellung Gegen die Unsichtbarkeit gliedert sich in zwei Teile, die eng miteinander verbunden sind. Die Geschichte der Deutschen Werkstätten Hellerau wird in der Mittelachse wie auf einem Zeitstrahl dargestellt. Rechts und links wird er von den Biografien der Frauen begleitet. Auf dem Zeitstrahl finden sich Werke, die für die Deutschen Werkstätten umgesetzt wurden, an den Wänden Entwürfe für andere Auftraggeber.
Neben zahlreichen Entwürfen, die Einblick in die Gestaltungstätigkeit geben, werden in der Ausstellung 270 Werke präsentiert, von denen viele zum ersten Mal in der Öffentlichkeit gezeigt werden. Die gezeigten Designobjekte reichen von Möbeln, über Spielzeug, Glas, Porzellan bis hin zu Tapeten und vor allem auch Textilien. Letztere sind für uns natürlich besonders interessant.
In der Ausstellung finden sich Anknüpfungspunkt an zwei weiter große Designströmungen des frühen 20. Jahrhunderts, die eng mit der Kunstgewerbe- und Reformbewegung verbunden war: Das Bauhaus und die Wiener Werkstätte. Die Designerin Margret Leischner studierte am Bauhaus und ihre Stoffentwürfe sind klar vom typischen Bauhaus gekennzeichnet. Margarethe von Brauchitsch ging für einige Monate nach Wien zum Studium bei Moser und Hoffmann. Danach waren ihre Werke klar von der für die Wiener Werkstätte typischen Formensprache gekennzeichnet.
Zur Ausstellung Gegen die Unsichtbarkeit ist ein sehr umfangreicher Katalog mit weiterführenden Essays im Hirmer Verlag erschienen. Er enthält nicht nur alle Ausstellungstücke sonder zeigt den Weg weiterer Designerinnen auf, die für die Deutschen Werkstätten in Hellerau gearbeitet haben.
Die Ausstellung passt hervorragend in das Jubiläumsjahr 2019 und das in mehrfacher Hinsicht. Ja, wir feiern 100 Jahre Bauhaus, aber auch 100 Jahre Frauenwahlrecht. Sie zeigt ganz eindrucksvoll, was diese Frauen geleistet haben. Wie sie trotz aller Widrigkeiten und fehlender Chancengleichheit bei der Ausbildung ihren Weg gegangen sind und sich in einer männerdominierten Designwelt behauptet haben und letztlich ein selbstbestimmtes Leben mit einer eigenen Arbeit zu führen konnten. Allzu oft kämpften die Frauen gegen das Vorurteil, dass ihnen das komplexe und räumliche Denken fehlte. Deshalb ist es gerade auch der Offenheit von Karl Schmidt zu verdanken, dass er die Frauen als gleichberechtigte Designer akzeptierte.
Noch bis zum 03.03. ist die Ausstellung Gegen die Unsichtbarkeit in Dresden im Japanischen Palais täglich außer montags von 10-18 Uhr zu sehen. Und sollten Sie es nicht nach Dresden schaffen – die Ausstellung wird vom 17. Mai bis zum 18. August 2019 im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg gezeigt.