Auch wenn die Ausstellung Jean Paul Gaultier / From the Sidewalk to the Catwalk nur noch bis zum 14.02.2016 in der Kunsthalle in München zu sehen ist, möchten wir Ihnen mit unserem Blogbeitrag Lust auf einen spontanen Besuch in München machen und unseren ganz persönlichen Blick auf die gezeigten Modelle werfen. Natürlich kommt dabei auch die Spitze nicht zu kurz.
Über die Ausstellung Jean Paul Gaultier / From the Sidewalk to the Catwalk
München ist die 11. Station der wirklich sehenswerten Ausstellung, die in seit 2011 schon einmal rund um den Globus ging. Mit dieser Ausstellung feiert die Kunsthalle in München ihr 30jähriges Jubiläum und die 100. Ausstellung. Die Jean Paul Gaultier-Ausstellung vereint ca. 150 Modelle aus verschiedenen Jahrzehnten seiner Schaffensphase – von den frühen 70 Jahren bis heute. Zu sehen sind Haute-Couture- und Prêt-à-Porter-Modelle ebenso wie Bühnen- und Filmkostüme.
Seit 40 Jahren ist Jean Paul Gaultier nun schon aus der Modewelt nicht mehr wegzudenken, die ihm das Attribut Enfant terrible verlieh – aber hinter dem Etikett steckt weit mehr – in der Ausstellung zeigt sich exzellente Schneiderkunst, eine Liebe zum Detail, Anspielungen vielerlei Art. Seine Corsagen mit den konischen Brüsten, besonders die Mieder für Madonna, kennt die ganze Welt und leider wird der Autodidakt oft auch darauf reduziert.
Ein Rundgang
Die Ausstellung ist in 7 Räume / Kapitel unterteilt, von denen einer – der Salon – sich dem Thema der Corsage nähert. Die Begeisterung dafür hat er von seiner Großmutter und schon seinem ersten Modell – seinem Teddy – klebte er als kleiner Junge Brüste auf und entwarf für ihn die erste Stücke. Zu bewundern sind im Salon ganz unterschiedliche Korsetts zu bewundern.
Im nächsten Raum „Odysee“ ist der für Gaultier typische Marinelook das Hauptthema. Er variiert den typisch französischen Look und entwirft maritime Abendkleider und einen lässigen Matrosenlook.
Ergänzt wird der Raum durch Madonnen und Meerjungfrauen, die in wunderbare Roben gehüllt sind.
Spitze dominiert die Kleider der Meerjungfrauen und Madonnen. Bodenlange Spitzenschleier, bestickte Korsetts und eine laszive Meerjungfrau, die in goldfarbene Spitze gehüllt ist. Aber nicht nur die Kleider ziehen mich hier in den Bann – die Puppen sind nicht einfach nur Puppen. Durch eine technische Installation werden sie förmlich zum Leben erweckt und die Augen bewegen sich, die Madonnen singen leise und eine Figur stellt den Meister persönlich dar. Man zweifelt kurz an sich – hat die Puppe jetzt tatsächlich mit den Augen gezwinkert?
Folkloristisch inspirierte Mode erwartet uns im Raum Großstadtdschungel. Aber die Werke kombinieren nicht nur verschiedene kulturelle Einflüsse und Kostümtraditionen miteinander, sondern Gaultier greift auch auf Anregungen aus der Natur zurück. Geishaanlehnungen finden sich neben traditionellen Stickereien, genauso wie Flamencoröcke oder Afrikanische Masken
Das die Werke von Gaultier mehr Kunstwerk als Kleidungsstück sind, wir hier besonders deutlich. 1.600 Stunden – ein ganzes Arbeitsjahr – hat es gebraucht, um ein Leopardenfell auf ein Abendkleid mit Hilfe von kleinen Perlen auf ein Kleid zu sticken – und das alles von Hand. 1.600 Stunden sind ein durchschnittliches Arbeitsjahr. Was für eine Leistung.
Der für mich am schönsten gestaltete Raum war Punk Cancan. Zwei Städte, die Jean Paul Gaultier prägen stehen hier im Mittelpunkt: Paris und London.
Wie Models drehen die Puppen auf dem Laufsteg ihre Runden vorbei an den Damen der großen Modezeitschriften auf der einen Seite und den Punks aus London auf der anderen Seite.
Wahrzeichen und Klischees werden hier gleichermaßen neu interpretiert und faszinieren schon allein durch den kulturellen Bruch.
Wie bei jeder Modeschau bilden auch in der Gaultier-Ausstellung die Brautkleider den Abschluß. Manche seiner Bräute scheinen eher in die Schlacht zu ziehen, als in den Stand der Ehe zu treten. Sie sind bekleidet mit einen Schutzschild vor dem Körper oder einem Federschmuck, der an einen Krieger erinnert.
Aber die Bräute waren dann doch nicht der Abschluss. Noch hinter dem Shop erwartet uns ein wenig Lokalkolorit. Extra für die Schau in München fertigte Jean Paul Gaultier zwei Kleider, die an die Dirndl angelehnt sind.
Auch wenn die Schau schon in mehreren Ländern zu sehen war, ist sie doch immer auch ein Stückchen anders und neu. So hat er für die Schau in Paris die eine Sonderedition für Kusmi Tea entworfen. Die Sorten Anastastia und Prince Wladimir erstrahlen im Streifenlook mit typischen Seefahrertattoos. Auch hierbei zeigt Gaultier, dass er alles andere als konventionell ist. Die Sonderedition ist aktuell noch über den Online-Shop von Kusmi erhältlich.
Der Katalog zur Ausstellung
Wer nicht zur Ausstellung fahren kann, dem empfehle ich den im Knesebeck Verlag erschienen Katalog zu Ausstellung.
In den sieben Kapiteln der Ausstellung nähert sich auch der Katalog dem Schaffen von Jean Paul Gaultier. Für mich stellt der Katalog eine perfekte Ergänzung der Ausstellung dar. Denn die Räume werden mit unterschiedlichen Hintergrundinformationen und Zitaten begleitet. Der opulente Bildband vereint Fotografien der größten Fotografen unserer Zeit, wie Helmut Newton, Mario Testino und Peter Lindbergh – von dem auch des exklusive Poster und Titelbild des Kataloges und der Münchner Ausstellung stammt, auf dem er Gaultier und Nadja Auermann verewigt. Der Katalog würdig das Schaffen von Gaultier auf hervorragende Weise und nähert sich ihm von unterschiedlichen Sichtweisen. Man kann in aller Ruhe nochmal all die Facetten seines Schaffens nachlesen und bestaunen.
Den Katalog zur Ausstellung Jean Paul Gaultier – From the Sidewalk to the Catwalk herausgegeben von Thierry-Maxime Loriot, erhalten Sie für 35,00 € bei dem Buchhändler Ihres Vertrauens oder direkt beim Knesebeck Verlag.
Was mir aber im Katalog fehlt, ist der direkte Bezug der Ausstellung. Das eine oder andere Bild direkt aus den Räumen der Ausstellung hätte den Katalog für mich persönlicher gemacht und eher zu einem richtigen Erinnerungsstück an den Tag in München.
Allerdings habe ich eine Vielzahl von eigenen Fotos aus der Ausstellung und das ist auch ein Punkt, den ich nochmal besonders hervorheben möchte. Denn es ist keineswegs selbstverständlich, dass man in einer Ausstellung fotografieren darf – hier schon. Es gab einen eigenen Hashtag zur Austellung #jpgmuc, so kann man sich nach Lust und Laune auf Instagram durch die Fotos anderer Besucher klicken.
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